Die Mehrwertsteuersenkung auch beim Hausbau klingt verlockend. Doch es gibt Fallstricke. Was also müssen Bauherren jetzt beachten?
„Mehrwertsteuer sparen ab sofort!“ – Was klingt wie der Werbeslogan eines Möbelhändlers, ist in Deutschland seit dem 1. Juli 2020 Realität. Ein bisschen jedenfalls. Denn im Rahmen des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes wird die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent und im ermäßigten Satz von 7 auf 5 Prozent gesenkt. Das bleibt aber nicht so: Die steuerliche Hilfsmaßnahme endet bereits am 31.12.2020.
Es profitieren vor allem Privatpersonen, die nicht umsatzsteuerpflichtig sind, also auch private Bauherren. Rechnungen, die ihnen Bau- oder Handwerksfirmen jetzt schicken, sind dadurch schon um einiges geringer. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht – vor allem bei Bauvorhaben, die naturgemäß einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.
Was private Bauherren bei der ermäßigten Umsatzsteuer beachten müssen
Grundsätzlich gilt, dass auf alle Bau- und Handwerkerleistungen, auf die normalerweise 19 Prozent Umsatzsteuer entfallen, im oben genannten Zeitraum nur 16 Prozent aufgeschlagen werden. Was erst einmal gut klingt, muss in jedem Einzelfall, vor allem beim Hausbau, genau betrachtet werden.
Sonderfall Mehrwertsteuersenkung Hausbau: die Festpreis-Immobilie
Da Firmen die Umsatzsteuersenkung nicht an Kunden weitergeben müssen, nutzen nicht wenige Unternehmen die Chance zum zusätzlichen Ertrag. Auf der anderen Seite kann die geänderte Umsatzsteuer auch Ihnen als Bauherrn Vorteile bringen. Sollten Sie also eine Immobilie zum Festpreis kaufen, ist die Formulierung des Kleingedruckten für Sie jetzt besonders wichtig. Sofern im Vertrag ausschließlich ein kompletter Festpreis genannt wird, ist nichts zu befürchten, sprich, der Gesamtpreis bleibt.
Finden Sie hingegen die folgenden Formulierungen oder ähnliche, sollten Sie unbedingt Ihren Steuerberater zur Klärung hinzuziehen: „zzgl. der jeweils geltenden ges. USt“ oder „zzgl. 19 % MwSt.“.
Einzelne Aufträge mit gut verständlicher Mehrwertsteuer-Lage
Sobald in Rechnungen die Mehrwertsteuer explizit ausgewiesen ist, können private Bauherren von der Mehrwertsteuersenkung profitieren. Ein gutes Beispiel sind einzelne Reparaturen, die in den Zeitraum der Corona-Hilfsmaßnahme fallen. Wenn Sie also Ihr Bad sanieren oder Ihr Dach neu decken lassen möchten, ist das zweite Halbjahr 2020 ein guter Zeitraum. Die jeweilige Einzelmaßnahme kann innerhalb des Zeitfensters abgeschlossen werden, und Sie zahlen nur die auf 16 Prozent ermäßigte Mehrwertsteuer. Mit sämtlichen wirtschaftlich abgrenzbaren und vertraglich vereinbarten Teilleistungen ist dieses Verfahren möglich.
Bauprojekte und reduzierte Mehrwertsteuer: ein komplexer Prozess?
Haben Sie immer im Hinterkopf, dass die reduzierte Mehrwertsteuer nur für abgeschlossene Leistungen und Teilleistungen innerhalb des besagten Zeitraums gilt. So lässt sich das Prinzip der Abnahme beim Hausbau leichter verstehen.
Einfach ist es, wenn Ihr kompletter Hausbau zwischen dem 01.07. und dem 31.12.2020 abgewickelt und fertiggestellt wird. Dann dürfen Sie sich auf jeden Fall über eine Ersparnis von 3 Prozentpunkten Mehrwertsteuer freuen. Anders ist es, wenn Sie zwar jetzt Abschlagszahlungen leisten, der Bau aber erst zu Beginn 2021 abgenommen wird. Dann war es nichts mit der Mehrwertsteuer-Ersparnis.
Folgendes Rechenbeispiel verdeutlicht dies:
Immobiliengesamtwert: 300.000 Euro
- Abschlagszahlung 1. Halbjahr 2020 (19 % MwSt.): 100.000 Euro plus 19.000 Euro Mehrwertsteuer
- Abschlagszahlung: 2. Halbjahr 2020 (16 % MwSt.): 100.00 Euro plus 16.000 Euro Mehrwertsteuer
- Bauabnahme Januar 2021: Gesamtsumme von 300.000 Euro plus 57.000 Euro Mehrwertsteuer (19 %), abzüglich bereits gezahlter 35.000 Euro Mehrwertsteuer, wird fällig
- Tatsächliche Zahlung Januar 2021: 122.000 Euro (inkl. 19 % MwSt.)
Wäre dieser Bau schneller, also vor dem 31.12.2020 fertiggestellt und abgenommen worden, hätten die Bauherren in diesem Fallbeispiel 9.000 Euro an Umsatzsteuer weniger bezahlt.
Liegen also Abschluss und finale Bauabnahme nach dem 31.12.2020, wird immer auf das gesamte Bauprojekt die 19-prozentige Umsatzsteuer fällig. Die 16-prozentige Umsatzsteuer, die bereits gezahlt wurde, wird zwar angerechnet – aber die fehlenden 3 Prozentpunkte sind nachzuzahlen.
Es zählt der Zeitpunkt der abgeschlossenen Bauleistung
Jede Bauleistung, die zwischen dem 1.7. und dem 31.12.2020 abgeschlossen wird, wird mit 16 Prozent Umsatzsteuer belegt. Dies gilt sogar für Arbeiten, die vor dem 1.7. 2020 mit zuzüglichen 19 Prozent Mehrwertsteuer als Vorauszahlung bezahlt worden sind: Aufgrund der späteren Fertigstellung muss eine rückwirkende Reduzierung auf 16 Prozent erfolgen.
Sie erkennen bereits, dass Ihr Bauprojekt keinesfalls vor 2021 abgeschlossen wird? Nun können Sie versuchen, Ihren Vertrag nachzuverhandeln. Da wären neu vereinbarte Teilleistungen denkbar, die sich verstärkt im zweiten Halbjahr 2020 abspielen sollen. Achtung: Eine exakte Definition dieser Teilleistungen und ein schriftlicher Vertrag darüber sollten auf jeden Fall bestehen!
Möglich ist solch eine Neuregelung natürlich nur dann, wenn die jeweilige Baufirma mitspielt. Sie muss diese beschleunigten Leistungen erbringen können und wollen. Tipp: Holen Sie sich für einen Neuvertrag auf jeden Fall die Unterstützung eines unabhängigen Sachverständigen ins Boot, um keine böse Überraschung zu erleben.
Teilleistungen vereinbaren – Vor- und Nachteile
Damit die Einsparungen durch die verringerte Umsatzsteuer greifen können, muss jeder Bauabschnitt als Teilabnahme abgenommen werden. Mit Unterstützung eines Sachverständigen kann dies funktionieren – was natürlich ein monetärer Vorteil wäre.
Der große Nachteil ist der ungleich höhere Aufwand. Der Grund: Jede einzelne Teilabnahme löst eine eigene Gewährleistungsphase aus. Diese muss jeweils einzeln dokumentiert und auch überwacht werden. Des Weiteren geht die Beweislast für Baumängel mit jeder einzelnen Bauabnahme auf den Bauherrn über. Dieser sollte sich fragen, ob die mögliche Ersparnis von 3 Prozentpunkten Mehrwertsteuer ihm dieser Aufwand und dieses Risiko wert ist.
Was weiterhin gegen das Vorziehen von so vielen Teilleistungen des Baus in das 2. Halbjahr 2020 spricht, ist die steigende Baumängel-Gefahr. Der Hintergrund ist, dass Bauunternehmen oder Handwerksunternehmen unter Zeitdruck vielleicht nicht so sauber und qualitätvoll arbeiten wie sie es unter anderen Umständen tun würden. Auch hier wieder die Frage: Wiegt die Ersparnis durch eine verringerte Umsatzsteuer so schwer, dass möglicherweise Baumängel provoziert werden?
Altbau und die Mehrwertsteuersenkung: kaufen oder sanieren
Relevant in punkto Umsatzsteuer ist der Kauf eines sanierten Altbaus von einem Bauträger. Dafür gibt es natürlich eine Rechnung inklusive Umsatzsteuer. Lassen Sie sich aber deshalb auf keinen Fall drängen, um den Kauf bloß vor dem 31.12. abzuschließen. Denn wichtiger ist, dass Sie eine gute Immobilie kaufen, die voll und ganz Ihren Vorstellungen entspricht. Auch auf die Prüfung durch einen von Ihnen beauftragten Sachverständigen sollten Sie keinesfalls verzichten.
Sie besitzen einen Altbau, der eine Renovierung vertragen könnte? Dann kommt Ihnen die Reduzierung der Umsatzsteuer zugute, wenn Sie die Arbeiten in das zweite Halbjahr legen – und zum Abschluss bringen! In diesem Fall werden auf die jeweilige Handwerkerrechnung nur 16 Prozent Umsatzsteuer aufgeschlagen.
Anmerkung der Redaktion: Der Autor dieses Textes ist kein Steuerberater und auch kein Rechtsanwalt, sondern Wirtschafts- und Finanzjournalist. Finanzjournalisten ist rechts- und steuerberatende Tätigkeit per Gesetz untersagt. Der Text dient lediglich der Information von Steuerzahlern und (angehenden) Bauherren oder Immobilienkäufern. Eine Beratung oder gar konkrete Empfehlungen enthält der Text nicht. Diese sind auch nicht beabsichtigt. Obwohl die für den Text verwendeten Quellen als zuverlässig gelten, wird keine Garantie für die Richtigkeit übernommen. Die Ausführungen und Erklärung können und sollen das Gespräch mit einem Steuerberater und/oder Rechtsanwalt nicht ersetzen.